Rechte

Die Rechte

Die Göttin Maat als Verkörperung von Gerechtigkeit und Wahrheit.

An der Spitze des Rechtssystems standen der König und der Wesir. Der König galt als Verwirklicher der göttlichen Ordnung (Maat) und erließ selbst Gesetze und Dekrete. In seinem Auftrag handelte der Wesir, der als oberster Richter die Aufsicht über alle Gerichte hatte und in Streitfällen die letzte mögliche Instanz darstellte. Eine Gerichtsbarkeit gab es im engeren Sinne nicht, Recht wurde praktisch angewendet und einzelne Fälle individuell entschieden. Auch konnte der König jederzeit Entscheidungen unabhängig von den bestehenden Gesetzen fällen, solange er das Gleichgewicht der Maat bewahrte. Hauptanliegen wurden im Alten Reich vor den sogenannten „sechs Tribunalen“ vorgetragen, bei denen hohe Beamte als Richter eingesetzt wurden. Im Neuen Reich verhandelte man wichtige Fälle in den großen Kenbet, die unter der Leitung des Wesirs standen. Für kleinere Streitigkeiten und Vergehen existierten in den Städten, Tempeln und Dörfern lokale Gerichte, die sich aus der lokalen Beamtenschaft rekrutierten.

Das Prinzip der Anwaltschaft kannte man noch nicht. Kläger und Angeklagte mussten sich im Prozess selbst vertreten und vor ihrer Aussage einen Eid schwören. Urteile stützten sich auf Indizien und Zeugenaussagen. Bei Fällen mit Verbrechen im Mittelpunkt befragte man zuerst die Angeklagten und erzwang Geständnisse teilweise mit Folter. Häufige Strafmittel waren Schläge, Verstümmelungen, Einziehung von Vermögen, sowie Deportation und Zwangsarbeit. Als eine der härtesten Strafen galt das Abschneiden von Nase und Ohren. Die Todesstrafe wurde nur in Ausnahmefällen verhängt und meist durch Verbrennen oder Enthauptung am Pfahl vollzogen.[6] Ab dem Neuen Reich hatten Angeklagte die Möglichkeit, sich bei religiösen Festen an Orakel zu wenden. Dazu stellte man einer Statue des Königs, die von Priestern getragen wurde, eine mündliche oder schriftliche Frage, die durch eine entsprechende Bewegung verneint oder bejaht werden konnte.